Mittelbiberach und Reute - einst und heute
Die Keltengräber und die Keltenschanze
Vor etwa 2000 bis 4000 Jahren war die Kultur der Kelten in Mitteleuropa weit verbreitet. Bekannt sind die Kelten uns vorwiegend durch ihren Kontakt mit den Römern und die zahlreichen Überbleibsel ihrer Siedlungen und Handwerker. So hinterließen sie auch in Mittelbiberach Spuren. Diese befinden sich in dem Waldgebiet „Forst“, das man von Mittelbiberach oder Reute sehr leicht mit dem Fahrrad, Auto oder zu Fuß erreicht. Dort sind immer noch Zeugnisse dieser vergangenen Kulturepoche vorhanden.
Drei Keltische Hügelgräber sind die lokalen Zeugen der ersten bekannten Besiedelung der Gemeinde. In diesen doch recht einfachen Grabstätten wurde die „Oberschicht“ der Kelten begraben. Fürsten hatten sehr viel größere Hügel, in denen es auch Mehrfachbestattungen gab. Teilweise wurden diese Gräber bereits geöffnet, durchsucht und oft auch beraubt. Grabeinlagen wie Schmuck, Kunsthandwerk und Waffen waren dort zu finden. Die Grabhügel von Reute haben nur noch eine Überhöhung von ca. 1,5 m. Diese Hügel waren ursprünglich sehr viel höher. Weitere größere Hügelgräber in unserer Umgebung finden wir bei Rusenberg/Aßmannshardt.
Südwestlich von Mittelbiberach, in einem Waldstück im Gewann Junkersghau in der Gemarkung Oberdorf gelegen, kann man sehr deutlich eine keltische ,,Viereckschanze“ erkennen. Die „Schanze“ hat einen ca. 10 m breiten und 2 m hohen Wall. Sie ist nahezu quadratisch mit Seitenlängen von ca. 90 m. Vor allem die Nordecke ist mit 3 m Überhöhung sehr deutlich aus der Umgebung zu erkennen. Sie diente wohl als Verteidigungsanlage vor Überfällen und scheint im Kontext der Hügelgräber wohl Sitz eines Stammesführers gewesen zu sein oder kultischen Zwecken gedient zu haben. Über eine dazugehörige Siedlung ist bisher nichts bekannt. Als ungefähre Zeit der Anlagenentstehung konnte 200 v. Chr. bestimmt werden.
Das Ende der Kelten im oberschwäbischen Raum erfolgte durch die bereits erwähnten Römer, welche nach den Feldzügen des Gaius Julius Caesar 58-50 v. Chr. gegen die Kelten in Helvetien und Gallien – der heutigen Schweiz und Frankreich – ihr Reich auch nördlich der Alpen bis an die Donau erweiterten. Die Siedler des Gebietes wurden entweder durch die Feldzüge entwurzelt oder gingen im Römischen Reich auf.
Das Mittelalter und die Herrschaft Mittelbiberach
Der Zerfall des Römischen Reiches überließ die Gebiete südlich der Donau den Händen der germanischen Stammeskonföderation der Alemannen. Diese wurden vom Königreich der Franken erobert und das Gebiet als Herzogtum Schwaben in den Ostteil ihres Reiches integriert. In Anlehnung an die römischen Vorbilder übernahmen die fränkischen Herrscher den Titel des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches, welches auf den deutschen Gebieten basierte.
Als Ursprung der Ortschaft Mittelbiberach dürfte eine Schenkung an das um 770 gegründete Stift Buchau als Teil einer schwäbischen Grafschaft gelten. Bald wurde jedoch die klösterliche Grundherrschaft durch eine kaiserliche Gerichtsbarkeit ergänzt. Es wurde ein Reichsvogteiamt aufgestellt, das für die Sicherheit des Gebietes und die Bevölkerung zu sorgen hatte. Durch Vererbung, Vergabe und Verkauf wurde das große Gebiet dieser Grafschaft stetig verkleinert. Allerdings wurde durch mehrere Titelhalter die Anzahl der Abgaben an den Kaiser vermehrt. Nach den Herren von "Bibra", die 1083 erstmals erwähnt sind, fiel die Herrschaft wohl als Erbe an Kaiser Friedrich I. ,,Barbarossa“ zurück. Das Bestehen einer typisch alemannischen Markgenossenschaft in Mittelbiberach deutet auf eine früh eingerichtete Reichsvogtei mit den Orten Mittelbiberach, Oberdorf, Reute und Rindenmoos hin. Nach der kaiserlosen Zeit des Interregnum hatte Rudolf von Habsburg versucht, das fast untergegangene Herzogtum Schwaben an sich zu bringen, vor allem aber das Reichsgut wieder neu zu ordnen, um es wieder verleihen zu können.
Der heute geläufige Name "Mittelbiberach" ist zum ersten Mal in dieser Form im Jahre 1275 nachgewiesen.
Erstmals wird der Kirchenort Mittelbiberach 1275 urkundlich erwähnt und zwar aus Anlaß eines 1274 beschlossenen Kreuzzuges, zu dem jeder Pfarrer 6 Jahre lang den Zehnten seines Einkommens beisteuern mußte. Es entstand dazu der ”liber decimationis pro Papa”, das Zehntbuch für den Papst 1275. Und darin wird unser Dorf genannt. Die damalige Pfarrei Mittelbiberach gehörte zum Dekanat Sulmetingen. Es war aber eine unbedeutende Pfründe, deren Einnahmen nur 3 Pfd. Constanzer betrug. Vergleichsweise erbrachte zur selben Zeit die Stadt Biberach 8 Mark à 2 Pfd., Warthausen 6 Mark, Stafflangen 5 Pfd. Constanzer. Der hiesige Pfarrherr mußte keine Beisteuer geben.
Im Spätmittelalter, um das Jahr 1350, werden die Herren von Stein, dann die Herren von Andelfingen, die es wiederum 1440 in der Verwandtschaft an den Jakob Schad, ebenfalls ein reicher Biberacher Patrizier, veräußerten, genannt. Die Region wurde zu dieser Zeit durch die wohlhabenden freien Reichsstädte geprägt, die ihre Autonomie gegenüber den niederen Adligen und großen Klosterbesitzen verteidigten. Auch Biberach war Teil dieser illustren Kleinstädte.
Große Unsicherheit und Gewalt hielt im Namen der Reformations- und Bauernkriege nach Martin Luthers Thesenschlag 1519 das Reich im Griff. Bauernheere und Söldnertruppen aller Fraktionen marodierten durch die Landschaften. 1522 wurde Lazarus von Schwendi, späterer Feldherr des Heiligen Römischen Reiches und kaiserlicher Rat im Mittelbiberach dieser Epoche geboren. 1603 kam die Herrschaft Mittelbiberach durch Heirat an Hans Ludwig von Ulm, dem späteren Reichsvizekanzler, der durch seinen Einfluß die Herrschaft weiter vergrößern konnte. Der Westfälische Frieden von 1649 stabilisierte die Mitteleuropäischen Verhältnisse wieder.
Als 1806 im Rahmen der Eroberungen Napoleons die Übernahme durch das Königreich Württemberg und die Auflösung der Markgenossenschaft und später des Reiches vollzogen wurde, war der Einfluß der Herrschaft geschwunden. Mit Ende der Monarchie 1918 war auch die politische Macht des örtlichen Adels beseitigt, das Anwesen blieb jedoch in ihrem Besitz. Im Jahr 1922 wurde das Rittergut von Freiherrn Max von Ulm-Erbach zu Erbach an seinen Neffen, den Grafen Alexander von Brandenstein-Zeppelin, dem Schwiegersohn des berühmten Luftschifferbauers Graf Ferdinand von Zeppelin, vermacht, dessen Nachkommen noch heute das stattliche Schloß bewohnen.
Reute
Das Dorf Reute, welches im weitesten Sinn das Schicksal der anderen Vogteiorte teilt, wird in den alten Urkunden nicht immer erwähnt, weil es lange Zeit nur wenige Gehöfte hatte. Grundherrschaftlich war Reute deshalb bedeutend, weil im Zentrum des Dorfes ein Buchauer Maierhof stand. Diese wurden im Mittelalter von Verwaltern – den sogenannten Maiern - betrieben, welche zumeist hörige Fronbauern unter sich hatten. Aus diesem Grund standen ihm bestimmte Sonderrechte zu. Im Jahr 1351 wurde dieser vom Stift Buchau einschließlich des Kirchensatzes zu Mittelbiberach an den Spital zu Biberach verkauft.
Pestfriedhof
Eine besondere Anlage stellt der sogenannte Pestfriedhof an der Straße nach Biberach dar. Der Ursprung dieser Anlage geht auf das Jahr 1611 zurück, als in der Vogtei Mittelbiberach mit Reute die Pest ausgebrochen war. Der Friedhof wurde zur schnellen Beilegung von Seuchenopfern genutzt, weshalb er auch außerhalb der Dorfgrenze lag. Die Friedhofsmauer und die Kapellen konnten 1990 durch die tatkräftige Unterstützung der örtlichen Vereine sowie 2004 durch eine freiwillige, ehrenamtliche Bürgeraktion renoviert werden. Zuletzt wurde die Friedhofsmauer im Jahr 2019 saniert.
Moderne Gemeinde Mittelbiberach
Im Jahr 1934 wurde die Gemeinde Oberdorf in die Gemeinde Mittelbiberach eingegliedert. Die Gemeinde Mittelbiberach und die Gemeinde Reute haben am 19.12.1973 - nach Anhörung der in der Gemeinde wohnenden Bürger am 16.12.1973 - aufgrund des Beschlusses des Gemeinderates der Gemeinde Reute vom 18.12.1973 und des Beschlusses des Gemeinderates der Gemeinde Mittelbiberach vom 18.12.1973 eine Eingemeindungsvereinbarung abgeschlossen. Durch die Urkunde des Regierungspräsidiums Tübingen vom 20.12.1973 wurde die Vereinbarung genehmigt.
Die politische Gemeinde Reute mit Findenmösle, Unterreute und Geradsweiler ist zum 01.01.1974 mit der Gemeinde Mittelbiberach zur neuen Gemeinde Mittelbiberach zusammengeschlossen worden.
Mittelbiberach liegt inmitten von Feldern und Wiesen, umrahmt von Wäldern, im Rotbachtal. Der Charakter des Dorfes hat sich im Laufe der letzten Dekaden wesentlich verändert. In der nahen Kreisstadt Biberach an der Riß mit der großen Industrieentwicklung hat der überwiegende Teil der Bevölkerung Beschäftigung gefunden, sodass nur noch wenige Ortsbewohner in der Landwirtschaft tätig sind. Gab es 1949 noch ca. 140 landwirtschaftliche Vollbetriebe, so waren es 1985 nur noch 77 Betriebe und derzeit ca. 20.
Mit der wirtschaftlichen Umschichtung fand gleichzeitig ein verstärktes Anwachsen der Einwohnerschaft statt. Von ca. 1000 Einwohnern im Jahr 1900 stieg die Einwohnerzahl auf heute rund 4000. Dieser Zuwachs ließ neue Wohngebiete entstehen. In den Teilorten Schönenbuch, Zweifelsberg und Waldhofen sind vorwiegend nur hauptberufliche Landwirte ansässig.
In den vergangenen Jahren hat sich Mittelbiberach somit zur attraktiven Wohngemeinde weiterentwickelt. Alle wichtigen und notwendigen Dienstleistungen, die zum täglichen Leben gehören, wie Einkaufsmöglichkeiten, Handwerksbetriebe und ärztliche Versorgung werden am Ort angeboten. Die Verkehrsanbindung mit Bussen, Geh- und Radwegen an die Stadt Biberach ist hervorragend. Mit der modernen Grund- und Werkrealschule, den Kindergärten, der Turn- und Festhalle, dem Oberdorfer Vereinshaus und der Gemeindehalle mit dem Haus der Vereine in Reute verfügt die Gemeinde über zahlreiche, ein reges und vitales Gemeindeleben fördernde Einrichtungen.
Die örtliche Besonderheit ist das äußerst aktive und vielseitige sportliche, soziale und kulturelle Vereinsleben. Rund 50 Vereine und Vereinigungen bieten in Mittelbiberach und Reute für jeden etwas. Anfang September lockt jedes Jahr das Mittelbiberacher Heimat- und Bürgerwehrfest nicht nur die Bürger, sondern auch zahlreiche Fremde aus nah und fern, an. Die seit nunmehr 400 Jahren bestehende Bürgerwehr sowie Abordnungen aus der Umgebung gestalten mit ihren farbenprächtigen historischen Uniformen das Fest zu einer wirklichen Sehenswürdigkeit.